Mein Sozialprojekt in der Kita „Les petits amis“

Am Anfang war ich skeptisch. Jetzt bin ich ein bekennender Seitenwechsler. Mit allen Konsequenzen. Ich spreche von einem Sozialprojekt, an dem ich mich als Auszubildender der Sparkasse Karlsruhe Ettlingen aktiv beteiligt habe. 

Mit mir gemeinsam verzichteten 16 angehende Bankkaufleute eine Woche lang auf Anzug und Krawatte, Kostüm und Bluse, um in Jeans und Shirts neue Erfahrungen zu sammeln. Wir wurden auf Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt verteilt, für die wir uns im Vorfeld entschieden hatten. Darunter waren Altersheime, Behinderteneinrichtungen oder – das war mein Favorit – Kindertagesstätten. 

Ich selbst bin der Jüngste in meiner Familie und es gibt weit und breit keinen Nachwuchs. Deshalb sind meine Erlebnisse mit kleinen Kindern doch sehr begrenzt. Ich musste mich auf eine Woche mit komplett neuen Erfahrungen einrichten. Sie können mir glauben: Ich war nicht nur gespannt auf die Kita „Les petits amis“, sondern auch ein wenig nervös. 

An meinem ersten „Arbeitstag“ zeigte sich, dass es den Kindern ähnlich ging. Sie waren zurückhaltend, abwartend. Sie mussten sich nicht nur an ein neues Gesicht gewöhnen, sondern auch daran, dass ich ein Mann war. Der Einfachheit halber nannten mich die Ein- bis Sechsjährigen „der Große ohne Haare“. 

Als einziger Mann im Haus versorgten mich die Erzieherinnen zunächst mit allerlei handwerklichen Aufgaben. Dabei wurde ich von vielen kleinen Kinderaugen argwöhnisch beobachtet. Nach einigen Stunden hatten sich die Kleinen an mich gewöhnt und luden mich zum Spielen ein.  

Der erste Lernprozess: Spielregeln ändern sich gefühlt im Zwei-Minuten-Takt. Die Mitspieler erklären die neuen Regeln am liebsten auf französisch. Das ist nicht ungewöhnlich. Schließlich ist die Kita „Les petits amis“ eine bilinguale Einrichtung, in der die Kinder von Anfang an deutsch und französisch sprechen. Was die Kinder nicht wussten: Französisch gehörte während meiner Schulzeit absolut nicht zu meinen Favoriten. Deshalb sorgten meine Antworten meist für Verwirrung. Aber in jeder der drei Kita-Gruppen gab es zwei bis drei Erzieherinnen, die das Problem elegant lösten. 

Der Tagesablauf war geregelt: Zuerst wurde gefrühstückt, dann gespielt. Auf dem Spielplatz war ich der Schaukel-Anschupser. Ich musste so lange durchhalten, bis jedes Kind eine kleine Schaukeleinheit absolviert hatte. Danach gingen alle gemeinsam zum Mittagessen. Für die ganz Kleinen folgte der Mittagsschlaf. Die etwas Größeren bekamen eine Geschichte vorgelesen. Nachmittags wurde wieder gespielt, bis die Eltern kamen und ihren Nachwuchs abholten. 

Besonders witzig war es für mich im Turnraum. Dort war die gleiche Sportlehrerin beschäftigt, bei der ich schon als kleiner Junge im Kindergarten Turnunterricht hatte. 

Nach wenigen Tagen hatte ich die Kinder ins Herz geschlossen. Sie mich offensichtlich auch. Denn es gab zwei Heiratsanträge für mich. 

Diese Woche hat mich persönlich sehr bereichert. Besonders überrascht war ich von der Toleranz der Kinder. Für sie war weder Hautfarbe, Religion noch Herkunft entscheidend. Sie haben mit allen, auch über die eigene Gruppe hinweg, gespielt. Ich selbst habe gelernt, mit Kindern umzugehen und dass es ein Fehler ist, ein Kind hochzuheben. Weil man das ab sofort den ganzen Tag machen muss. 

Eine besonders herzliche Verbindung hatte ich auch mit den Erzieherinnen. Wenn ich einmal eigene Kinder habe, darf ich jederzeit zum Windelwechsel-Crash-Kurs vorbeikommen.

Julian Happle