Grexit oder Einigung: Was bedeutet das für den Anleger?
Die Griechenland-Krise geht in dieser Woche in die entscheidende Phase. In Brüssel jagt ein Krisentreffen das nächste. Nun sind die Euro-Finanzminister ein weiteres Mal zusammengekommen, um über das griechische Spar- und Reformpaket zu beraten. Unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen werden sich die Folgen für den deutschen Anleger in Grenzen halten. „Unsere Kunden können beruhigt sein. Die Märkte können selbst mit der Grexit-Perspektive mittlerweile leben. Anleger müssen sich jedoch vorübergehend auf erhöhte Schwankungen an den Finanzmärkten einstellen, denn erst im späteren Jahresverlauf werden sich die Märkte wieder beruhigen. Eine Änderung der strategischen Ausrichtung der Portfolios wird aber nicht nötig sein“, ist Sparkassendirektor Lutz Boden überzeugt.
Wirtschaftlich sei Griechenland zu klein, um die Konjunktur in Euroland zu bremsen. Zudem würden die Schulden Griechenlands nicht mehr vom privaten Sektor, also von privaten Haushalten, Banken oder Versicherungen, gehalten. Daher drohe auch keine Finanzmarkt-Destabilisierung, wenn die Rückzahlungen bei einem Grexit ausfallen. Nach Ansicht von Lutz Boden seien mögliche Folgen allerdings nur von kurzer Dauer: „Nach den getroffenen Entscheidungen – Verhandlungslösung oder Grexit – dürften sich die Reaktionen an den Kapitalmärkten schnell zurückbilden.“
Bis voraussichtlich Ende der Woche wird es im griechischen Schuldenstreit noch spannend bleiben. „Wir glauben nach wie vor an eine Verhandlungslösung“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. „Es wird ein Reformprogramm unterzeichnet werden, das eine weitere Stundung der Kredite möglich macht. Die Umsetzung der Reformen wird mühsam, ist allerdings der einzige Weg, der erfolgreich sein wird, auch wenn dies noch einmal einige Jahre dauern wird.“ Der Druck auf Griechenland, die angekündigten Maßnahmen in die Tat umzusetzen, wird in jedem Fall hoch sein. Selbst wenn die Erneuerung der Strukturen lange dauert, ist dies die einzige Möglichkeit der Einwirkung, solange es in der EU keine gemeinsame Finanzpolitik gibt.
„Da auch die griechische Regierung den immer lauter artikulierten Willen ihres Volks, im Euro zu bleiben, ernst nehmen muss, wird sie vermutlich weitere Zugeständnisse machen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Einigung“, glaubt Dr. Kater und ist davon überzeugt: „Sollte der ebenfalls immer noch mögliche Fall eintreten, dass die Verhandlungen scheitern oder von den nationalen Parlamenten nicht mitgetragen werden, wird Griechenland den Euro verlassen müssen.“
Dieser Vorgang würde mehrere Monate dauern. Es begänne mit Euro-Kapitalverkehrskontrollen, dann folgte die Ausgabe von Schuldscheinen und danach stünde die Auswechslung des Euro als Zahlungsmittel gegen eine neue Währung. Begleitet würde diese Periode von Meldungen über wirtschaftliche Not, politisches Chaos und außenpolitische Unsicherheiten. Außerdem würden viele Europa-Verhandlungen mit Griechenland geführt werden, um sicherzustellen, dass das Land nicht auch noch die Europäische Union verlassen muss.