Schubladendenken ist fehl am Platz

Für ihre Ausbildung bei der Sparkasse Karlsruhe haben sie sich bewusst entschieden. Jetzt wurden sie in einem Sozialprojekt mit anderen Berufsbildern konfrontiert. Denn seit fünf Jahren stehen bei 15 Jungbankern „Seitenwechsel“ auf dem Ausbildungsplan. Dann besuchen sie eine Woche lang Kindertagesstätten und Seniorenzentren, betreuen Arbeits- und Sozialprojekte, um Erfahrungen für ihr eigenes Berufsleben zu sammeln.

„Sieben Prozent aller Baden-Württemberger sind behindert, 40 Prozent der Gesamtbevölkerung über 60 Jahre alt. Ältere Menschen und Behinderte brauchen eine andere Ansprache“, so Klaus Minet, Leiter der Personalabteilung der Sparkasse Karlsruhe, der den Seitenwechsel ausdrücklich empfiehlt. Am Ende waren sich die jungen Leute einig: „Wir möchten diese Erfahrungen nicht missen und wir haben persönlich viel gelernt.“ Ihre Projektbetreuer bei der AWO Karlsruhe gemeinnützige GmbH dankten den Sparkassenmitarbeitern für den Mut, in die fremde Berufswelt einzutauchen. Sie bescheinigten den Praktikanten ein besonders hohes Maß an Engagement und Aufgeschlossenheit. „Sie waren taff und einfach toll“, so die AWO-Mitarbeiter.

Alle, die sich für einen Arbeitsplatz in den Kindertagesstätten entschieden hatten, sahen ihre Erwartungen voll erfüllt. Es waren die Kinder, die den Neuen vorurteilsfrei begegneten und sofort Freundschaften schlossen. „Wir haben gelernt, geduldig zu sein, uns auf Alternativen im Tagesablauf vorzubereiten und uns mit Händen und Füßen zu verständigen“, berichteten die Auszubildenden. Was sie besonders in Erinnerung behalten werden: die Freude der Kinder, deren Dankbarkeit und disziplinierten Umgang untereinander. „Jetzt wissen wir, wie Kinder denken“, freuten sich die Praktikanten über ihren Erfahrungsschatz.

Bei der Betreuung älterer Menschen waren andere Umgangsformen gefragt. „Wir mussten lernen, laut und deutlich zu sprechen und bei Bedarf immer wieder die gleichen Fragen ruhig und sachlich zu beantworten“, erinnerten sich die Auszubildenden, die im Seniorenzentrum hospitierten. Besonders bedauerten sie die Lustlosigkeit und negativen Lebenseinstellungen mancher Bewohner. „Motivieren und Freude verbreiten, das haben wir den Profis abgeschaut. Unsere größte Herausforderung war es, mit den Gefühlen und Ängsten der Älteren umzugehen“, beschrieben die Auszubildenden ihre neu gewonnenen Erfahrungen. Verständnis und Geduld sind Begriffe, die sie jetzt ganz bewusst in ihren Arbeitsalltag übernehmen werden.

Wie begegnet man Menschen mit Handicap? „Ohne Berührungsängste und ganz normal“, wissen die Sparkassenmitarbeiter inzwischen. Sie freuten sich mit den Betreuten über jedes Erfolgserlebnis. Besonders begeistert berichteten sie von den Arbeiten, die in den Nähstuben und in der Werkstatt entstanden. Verständnis entwickelten die Praktikanten auch für Kinder, die zwar lernwillig und durchaus ehrgeizig sind, aber Angst vor der Schule haben. Betroffen sind Kinder aus allen sozialen Schichten. Schubladendenken ist fehl am Platz, wissen die Sparkassenmitarbeiter inzwischen.

„Das Leben ist keine Einbahnstraße“, so Klaus Minet, der den AWO-Mitarbeitern für die Betreuung der Praktikanten dankte. Die Spende wird unter den Einrichtungen aufgeteilt, die sich um die Seitenwechsler während des Sozialprojektes kümmerten.