Angebotsprobleme
Die Phase zweistelliger Inflationsraten in den Industrieländern ist überwunden. Die geldpolitische Straffung wirkt. Aus Sicht der Notenbanken ist die nachlassende Inflation höchst erfreulich. Zugleich signalisieren die Indikatoren infolge der geldpolitischen Vollbremsung eine konjunkturelle Abschwächung, wobei sich die Weltwirtschaft nach wie vor als überraschend resilient erweist. Das globale Wachstum dürfte sowohl dieses als auch kommendes Jahr immerhin bei knapp 3 % liegen. Dass einzelne Volkswirtschaften dabei unterschiedlich gut durch die schwierige Phase kommen, hat eine zentrale Ursache: Sie sehen sich mehr oder minder großen Problemen auf der Angebotsseite ausgesetzt, also bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen.
Tiefgreifender Wandel der Rahmenbedingungen
Für die Unternehmen verändern sich gerade viele Rahmenbedingungen: Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und generelle geopolitische Risiken haben enorme Abhängigkeiten von einzelnen Ländern aufgedeckt und die Notwendigkeit stabilerer Lieferketten ins Bewusstsein gerückt. Die demografische Entwicklung lässt den Fachkräftemangel inzwischen zu einem Arbeitskräftemangel für alle Branchen anwachsen. Der politisch vor allem in Europa eingeschlagene Weg hin zu nachhaltigerem Wirtschaften und Klimaneutralität lenkt das Augenmerk auf die Verfügbarkeit und die Preise von Energie. Und nicht zuletzt hat die digitale Transformation Konsequenzen für die Geschäftsmodelle. Von diesen durchgreifenden Veränderungsprozessen gehen unterschiedliche Effekte aus. Zumindest aktuell und für die nahe Zukunft dürften sie die wirtschaftliche Aktivität eher bremsen. Diese angebotsseitige Bremsung wirkt preistreibend. Beispielsweise haben knappe Arbeitskräfte eine gute Lohnverhandlungsposition.
Geldpolitik nicht allmächtig
Für die Notenbanken stellt das eine Herausforderung dar, denn die Geldpolitik ist bei angebotsseitigen Problemen machtlos. Eine straffere Geldpolitik dämpft die Nachfrage, das Angebot kann sie nicht erhöhen. Für dieses Thema sind die nationalen Regierungen mit ihrer Wirtschaftspolitik verantwortlich. So stellt sich aktuell die Frage, ob in der augenblicklichen Situation genug oder sogar schon zu viele Zinserhöhungen vorgenommen wurden. Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed und die EZB keine weiteren Leitzinserhöhungen beschließen werden. Doch werden noch viele Diskussionen und Datenanalysen erforderlich sein, bis klar sein wird, wann und wie schnell die Leitzinsen wieder gesenkt werden. Die Überlagerung von konjunkturellen und strukturellen Bewegungen erschwert eine klare Perspektive. In solch einem Umfeld können schwächere Unternehmensberichte oder eine Rating-Herabstufung der USA schnell einmal einen Dämpfer an den Aktienmärkten auslösen. Doch die Perspektive auf die konjunkturelle Erholung und auf erste Leitzinssenkungen im kommenden Jahr dürfte schon bald die Kurse wieder steigen lassen.
Die vollständigen volkswirtschaftlichen Prognosen der @DekaBank-Volkswirte gibt es hier: http://s.de/2ln5